Sudern für Fortgeschrittene – Oder Polemik für Einsteiger? Eine Replik

Der Kommentar in „der brutkasten“ von Dominik Perlaki zum soeben gestarteten Covid-Startup-Hilfsfonds und die darüber erhitzten Gemüter in Teilen der österreichischen Startup-Szene erreicht nur eines – er erhitzt die Gemüter weiter. Vorschlag – besinnen wir uns doch auf das Wesentliche. (Foto (c) Adobe Stock – AntonioDiaz)

Die CORONA Krise hat uns alle erwischt. HART erwischt. Wenn man sich die Situation ansieht ist zwar der Peak der Erkrankungen vielleicht überwunden, die Auswirkungen auf die Wirtschaft werden ihren Höhepunkt aber nach meinem Dafürhalten erst mit Anfang 2021 erreichen.

Irgendwann müssen gestundete Abgaben bezahlt, aufgenommene Kredite (ob nun mit aws Haftungen oder ohne) bedient werden. In der “Realwirtschaft” werden dass viele nicht überleben, da verlorene Umsätze nicht aufgeholt werden. Wir gehen nicht 3 mal zum Friseur weil wir jetzt 8 Wochen nicht waren, wir werden nicht jeden Abend Essen gehen, um den anhaltenden Umsatzentgang in der (zusätzlich durch den ausbleibenden Tourismus) schwer getroffenen Gastronomie zu kompensieren und der wieder eröffnete Handel erfährt jetzt auch keine Umsatzexplosionen. Ganz generell überlegen sich wahrscheinlich jetzt auch viele Menschen eher, ob sie in Zeiten, wo knapp 40% der österreichischen Erwerbstätigen auf Kurzarbeit (KUA) oder überhaupt arbeitslos sind, das 27. weiße T-Shirt oder das Xte Messerset brauchen werden…

Den Unternehmen werden nun Haftungen für Kredite, KUA (bitte wirklich nicht mit KUR zu verwechseln) und Zuschüsse auf angefallene Fixkosten zur Verfügung gestellt, um möglichst viele Betriebe zu retten und Menschen in Beschäftigungsverhältnissen zu halten. Das ist gut und richtig, und die Geschwindigkeit, in der die ersten Maßnahmen gesetzt wurden, war wirklich bemerkenswert.

In der Praxis stellt sich nun aber heraus, dass diese CORONA Hilfen für sagen wir 80% funktionieren, für viele aber auch nicht… Eigenkapitalquoten, UiS/URG Kriterien, entgangene Umsätze nachweisen… Gerade Startups haben es hier schwer. Wo im Vorjahr noch keine oder kaum Umsätze angefallen sind, kann heuer kein Umsatzentgang nachgewiesen werden. Und zwischen dem, was die Banken CEOs kommunizieren und was wir an der Basis in unserer täglich Arbeit seitens der Bank-Berater/Innen erleben, liegen sowieso Welten. (Sidenote an mich, Thread mit #BestOfBankFeedbackBeiAWSHaftungsansuchen eröffnen)

Der am Freitag gestartete Eigenkapitalzuschuss im Rahmen des Covid-Startup-Hilfsfonds ist jetzt eine Möglichkeit für junge Startups, erhaltene Investments zu verdoppeln, um ihre Liquidität sichern zu können und um privates Kapital zu „motivieren“ weiter in innovationsgetriebene Unternehmen zu investieren. Ja, die 5 Jahre sind eine Einschränkung, die aufgrund von EU Recht notwendig waren, um nicht unter die DeMinimis Grenze zu fallen und um höhere Zuschüsse zu ermöglichen (AGVO). Darüber hinaus gibt es gerade für diese Zielgruppe auch immer noch die REGULÄREN Fördertöpfe der FFG und AWS Aus meiner Sicht ist damit Startups unter 5 Jahren geholfen. Punkt. Und wenn sie selbst mit diesem Zuschuss keine neuen Investoren finden oder die bestehenden nicht „nachschießen“ so wird das einen Grund haben – und der wird nicht CORONA sein. So ehrlich müssen wir bleiben.

In einer idealen Welt würden „ältere“ Unternehmen die bestehenden Förderungen wie KUA, AWS Haftungen und Fixkostenzuschüsse in Anspruch nehmen können. Es sei hier auch nochmal erwähnt, dass zB bei den AWS Haftungen Unternehmen unter 3 Jahren NICHT auf die UiS Kriterien geprüft werden müssen (auch dank AGVO) und damit rein formal einmal jedenfalls eine Haftung bekommen würden. Viel problematischer ist hier eher, dass bankseitig zuerst bestehende Liquidität „genutzt“ werden soll, die Krise zu überstehen. (Und natürlich die #BestOfBankFeedbackBeiAWSHaftungsansuchen)

In der Praxis wiederum wird gerade ein Startup mit hohen Anlaufverlusten aufgrund von Forschung / Produktentwicklung nach 5 Jahren aber noch Verlustvorträge in der Bilanz stehen haben, die das Eigenkapital belasten oder überhaupt, selbst nach Abzug aller nachrangigen Gesellschafterdarlehen etc. zu einem negativem Eigenkapital führen.

Damit ist tatsächlich KEINE der CORONA Hilfsmaßnahmen hier anwendbar. Das IST ein PROBLEM – und zwar ein PROBLEM, das offen und ehrlich diskutiert werden sollte, und nicht polemisch als “sudern” abgetan werden darf.

Betroffen hiervon sind aber vor allem Unternehmen, die bereits Umsätze erwirtschaften und heuer auf dem Weg waren ein positives Ergebnis zu erzielen, oder vlt. sogar bereits positive Jahresüberschüsse in den vergangenen Jahren erwirtschaften konnten. Die aber eben dennoch noch negatives Eigenkapital haben und nun aufgrund von CORONA einen schweren Schlag erhalten haben…

Jedoch Unternehmen, die nach mehr als 5 Jahren noch in der Entwicklung stecken und vor der Krise noch NICHT soweit waren, mit dem Produkt Umsätze zu erwirtschaften, müssten ja ohnehin ANDERE Finanzierungsquellen bereits FIX eingeplant oder akquiriert haben? Wie wäre den die Entwicklung sonst weiter finanziert worden? Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden – diese Startups gibt es, und hier sind einige „Perlen“ dabei, die auf keinen Fall verloren gehen dürfen.

Was aber glaube ich in der Diskussion fehlt – und das wäre spannend gewesen journalistisch aufzuarbeiten – ist das wesentliche Kriterium der BETROFFENHEIT durch CORONA.

Entwicklungsintensive DeepTech Startups, die noch einige Zeit vor einem erfolgreichen Produktlaunch stehen, damit noch keine Umsätze eingeplant haben und somit von einem CORONA bedingtem Nachfrageeinbruch nicht betroffen sein können, haben hoffentlich ohnehin entsprechend langfristige Finanzierungsmaßnahmen getroffen, die nicht innerhalb von 8 Wochen obsolet sind?

Sind diese Unternehmen wichtig? HELL YESSS!

Sollen dies Unternehmen unterstützt werden? UNBEDINGT!

Aber sollen diese Unternehmen im Rahmen einer CORONA Hilfe unterstützt werden? Wenn sie nicht unmittelbar von dieser Krise betroffen sind? Wohl eher nicht – hier sind andere Mittel gefragt, und die gibt es mit einer der höchsten Förderquoten von staatlicher Seite in Österreich auch weiterhin. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren in der Diskussion.

Ansehen müssen wir uns daher im Kontext einer CORONA Hilfe vor allem jene zuvor beschriebenen Unternehmen älter als 5 Jahre, die gerade dabei waren, abzuheben, aber mitten im Marktstart jäh zurück geworfen wurden und eben noch Verlustvorträge mit sich ziehen, die eine Unterstützung mit den bestehenden CORONA Maßnahmen unmöglich machen.

Dort liegt trotz aller Hilfsprogramme noch ein Problem. Dort müssen wir hinsehen. Dort müssen wir helfen.

Aber gerade dort helfen nur sachliche, ehrliche und evidenzbasierte Argumente in einer differenzierten Diskussion, um schnell Lösungen zu finden und keine polemischen Beiträge über Suderei, die die Sorgen von jungen UnternehmerInnen einfach beiseite wischen.